Mascha Kaléko

                                                                                Gedichte

 

Für Einen

 

Für Einen
Die Andern sind das weite Meer.
Du aber bist der Hafen.
So glaube mir: kannst ruhig schlafen.

 

Ich steure immer wieder her.
Denn all die Stürme , die mich trafen,
Sie ließen meine Segel leer.
Die Andern sind das bunte Meer,
Du aber bist der Hafen.

 

Du bist der Leuchtturm. Letztes Ziel.
Kannst Liebster, ruhig schlafen.
Die Andern . . . das ist Wellenspiel.

 

Du aber bist der Hafen.

 

(Mascha Kaleko)


 

Liebe

 

Wenn Du mich einmal nicht mehr liebst,
lass mich das ehrlich wissen.
Daß Du mir keine Lüge gibst,
noch Trug in Deinen Küssen!

 

Daß mir Dein Herz die Treue hält,
Mußt Du mir niemals schwören.
Wenn eine andre Dir gefällt,
sollst Du nicht mir gehören.

 

Wenn Du mich einmal nicht mehr magst
Und geht mein Herz in Scherben –
Dass Du nicht fragst, noch um mich klagst!
Ich kann so leise sterben.

 

(Mascha Kaleko)


 

Ich werde fortgehn im Herbst
Wenn die grauen Trauerwolken
Meiner Jugend mich mahnen.
Keine Fahnen werden flattern
Keine Böller knattern
Krähen werden aus dem Nebel schrein
Schweigen, Schweigen, Schweigen
Hüllt mich ein.
Ich werde gehen wie ich kam
Allein.

 

(Mascha Kaleko)


 

Mit Dir auf die Reise

 

„Ich kann dir keinen Zauberteppich schenken,
noch Diamanten oder edlen Nerz,

drum geb ich dir dies Schlüsselchen von Erz,

dazu mein ziemlich gut erhaltnes Herz

zum Anmichdenken.

 

Ich kann dir keine braven Socken stricken,
und meine Kochkunst würde dich nur plagen.

Drum nimm den Scherben rosarotes Glas,

der führt ins Märchenland Ichweissnichtwas

an grauen Tagen.

 

Ich kann dir nicht Aladins Lampe geben,
kein „Sesam“ und auch keinen Amethyst.

Doch weil dein Herz mir Flut und Ebbe ist,

hier, diese Muschel, schimmernd wie von Tränen,

zum Nachmirsehnen.“

 

(Mascha Kaleko)


 

Memento

Vor meinem eigenen Tod ist mir nicht bang,
Nur vor dem Tod derer, die mir nah sind.
Wie soll ich leben, wenn sie nicht mehr da sind?

Allein im Nebel tast ich todentlang
Und laß mich willig in das Dunkel treiben.
Das Gehen schmerzt nicht halb so wie das Bleiben.

Der weiß es wohl, dem dieses wiederfuhr
Und die es trugen, mögen mir vergeben.
Bedenkt: Den eigenen Tod, den stirbt man nur,
Doch mit dem Tod der anderen muß man Leben.

(Mascha Kalèko)

 


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